Berg-"Wächterin" aus Leidenschaft
Wenn man es genau nimmt, ist „Bergwacht“ ja ein Name, der ein bisschen aus der Zeit gefallen ist. Das klingt beinah so, als ob wir die Berge bewachen würden. Wären wir frisch gegründet, hieße das bestimmt eher „Mountain Task Force“ oder so ähnlich.
Aber warum unsere lange Tradition verleugnen? Wir sind ziemlich genau 100 Jahre alt. Und am Anfang stand tatsächlich der Wunsch, unsere vertrauten Berge zu schützen und zu bewachen. Eine frühe Welle von Bergtouristen setzte nach dem Ersten Weltkrieg den Gipfelkuppen von Feldberg, Belchen und Schauinsland mächtig zu. Staatlichen Naturschutz gab es noch nicht. Aber es gab Idealistinnen und Idealisten im Alpenverein, Schwarzwaldverein, bei den Naturfreunden und manchen Skiclubs. In ihren eigenen Reihen nicht selten als Bergpolizisten verspottet, schlossen sie sich zu einem Bergwachtdienst zusammen. Heute würde man das wohl „Ranger“ nennen. Drauf aufpassen, dass Enzian, Orchideen und Arnika nicht zertrampelt oder ausgebuddelt werden. Die Bergtouristen höflich, aber bestimmt daran erinnern, dass die leere Flasche den Weg zurück in den Wanderrucksack finden. Jedenfalls war das tatsächlich die Geburtsstunde unserer Bergwacht. Und wenn ich mir heute die Arnika auf der Belchenkuppe anschaue, denke ich manchmal „Das haben wir diesen Engagierten von damals zu verdanken“.
Heute liegen unsere Aufgaben vermehrt in der Bergrettung. Aber nicht der Rettung von Arnika und Co., sondern eher von Herrn und Frau Müller, die sich kräftemäßig etwas übernommen haben und nicht mehr weiter können. Im schlimmeren Fall auch vom gestürzten Mountainbiker, der bei zu rasanter Fahrt über den Lenker geht und im Steilgelände schwer verletzt zu liegen kommt. Nicht selten setzen wir uns dann als Bergretter Gefahren aus, um die Verunglückten zu retten. Intensives Training und gutes Gerät sorgen dafür, dass dabei das Risiko kalkulierbar bleibt. Ein verantwortungsvolles Ehrenamt, welches unsere Gruppe menschlich zusammenschweißt wie eine Seilschaft, die den Viertausender bezwingt.
In unserer Jugendarbeit gehe ich jedoch gerne „back to the roots“ – zu unseren Wurzeln, die im Naturschutz liegen. Heute heißt es ja so oft, die Jugend sei für Aufgaben des Allgemeinwohls nicht zu begeistern. Leute, die sowas meinen, sollten mal schauen, mit welcher Inbrunst unsere Kids Nisthöhlen zimmern. Oder mit welchem Eifer sie die Landschaftspflegearbeit der Großen unterstützen. Letzten Spätherbst haben wir gemeinsam mit den Kletterern die Harzlochfelsen gepflegt. Da geht es Hand in Hand. Die Motorsägenführer fällen vorwüchsige Buchen und geben der Felsflora wieder mehr Licht. Die Jugendbergwacht trägt aus dem unwegsamen Gelände das Reisig und die Astabschnitte heraus. Wenn man solch einen Pflegeauftrag an Profis vergibt, kostet das mehrere Tausend Euros. Uns hat es viel Schweiß gekostet, aber Spaß, Muckis und Gemeinschaft gebracht. Ganz nebenbei lernen die Kids noch, wie man sich mit Last geschickt im unwegsamen Gelände bewegt – eine Erfahrung, die sie bei späteren Rettungsaktionen bestens einsetzen können. Denn natürlich brennen alle darauf, sich irgendwann einmal im Rettungseinsatz zu bewähren. Mir ist es wichtig, dass sie davor ein feines Gespür für die Natur bekommen. Und für das, was sie mit Kraft, Geschick und Köpfchen anstellen können. Was mich dabei besonders bewegt? Draußen in der Natur, am Berg, wird der Schüchterne mutig und der Vorlaute ruhig. Da halte ich es mit Rousseau: Die Natur ist unsere beste Lehrmeisterin!
- Anja Füssinger, Jugendleiterin der Münstertäler Bergwacht